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06.08.2024

Guten Morgen,

der Krieg kann jederzeit losgehen. Internationale Diplomaten scheinen inzwischen fast schon schicksalsergeben hinzunehmen, dass nichts mehr zu machen ist. Die - sicherlich mit den USA akkordierte - Mission des jordanischen Außenministers Ayman Safadi in Teheran dürfte nichts gebracht haben. Israel müsse bestraft werden, erklärte danach ein Sprecher des iranischen Außenamts und beteuerte zugleich nebulos, keine Eskalation in der Region zu wollen. Irans Oberster Religiöser Führer hat offenbar angeordnet, den Tod von Ismail Hanijeh, zu vergelten. Der Auslandschef der Hamas war vergangene Woche unmittelbar nach der Angelobung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschekian mitten in Teheran in einem staatlichen Gästehaus ins Jenseits befördert worden. Israel hat seine Beteiligung weder bestätigt noch bestritten.

Es ist auch immer noch ungewiss, auf welche Weise Hanijeh getötet worden ist. Die iranischen Behörden und die Hamas sprechen von einem Raketenangriff, lanciert möglicherweise durch eine Drohne. Laut „New York Times“ indes fiel Hanijeh einer Bombe zum Opfer, die schon vor Wochen in dem Gästehaus platziert und dann ferngezündet worden sei. Der Fall ist alles andere als klar, doch die Strafe steht offenbar schon fest. Allerdings blieb auch da bis zuletzt offen, wie und zu welchem Zeitpunkt die Iraner Vergeltung üben wollen.

Am Sonntag raunte US-Außenminister Antony Blinken angeblich bei einer Videokonferenz mit seinen G7-Kollegen, dass in den nächsten 24 bis 48 Stunden mit einer Attacke auf Israel zu rechnen sei. In der Nacht auf Dienstag ließ sich US-Präsident Joe Biden gemeinsam mit seiner Stellvertreterin und möglichen Nachfolgerin Kamala Harris von seinen Sicherheitsberatern briefen. Es sei kein konkreter Zeitpunkt für einen iranischen Angriff auf Israel bekannt, hieß es danach aus dem Weißen Haus. Die Amerikaner verlegten bereits am Freitag weitere Kriegsschiffe in den Nahen Osten verlegen. Ihre Unterstützung für Israel sei eisern, ließen sie wissen. Die USA werden dabei selbst zur Zielscheibe. Am Montag schlugen auf einem US-Militärstützpunkt im Irak Katjuscha-Raketen ein, die pro-iranische Milizen abgefeuert hatten. Mehrere US-Soldaten wurden verletzt. Biden hing den Vorfall zunächst nicht an die große Glocke.

Neulich lieferte er sich mehreren Medienberichte zufolge ein telefonisches Schreiduell mit Benjamin Netanjahu. Der US-Präsident wirft dem israelischen Premier angeblich vor, nach monatelangen Verhandlungen einen Geiseldeal mit der Hamas durch Forderungen zu desavouieren, die eigentlich schon vom Tisch waren, nämlich nach Beibehaltung einer erheblichen israelischen Militärpräsenz im Gazastreifen auch nach einer Waffenruhe. Deshalb sind, so heißt es, auch viele im israelischen Sicherheitsapparat sauer auf Netanjahu. Nicht wenige glauben, dass ein Geiseldeal auch trotz der Tötung von Hanijeh schnell in trockene Tücher gebracht werden könnte. Der Auslandschef der Hamas soll in die diesbezüglichen Verhandlungen nicht involviert gewesen sein. Doch wahrscheinlich ist es dafür zu spät.

Der Iran hat mehrere Möglichkeiten, Israel anzugreifen: indirekt über seine Verbündeten im Libanon, Jemen, Syrien und Irak oder direkt. Die Wahl der Mittel wird entscheidend sein, wie tief der Nahe Osten und mit ihm die gesamte Welt im Sumpf versinken. Die neue Achse der Autokraten wird dabei zusammenhalten. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu nach Teheran entsandt und seinen iranischen Freunden angeblich die Lieferung von Luftabwehrsystemen zugesagt. Für die Weltwirtschaft wäre eine Ausweitung des Krieges im Nahen Osten eine Katastrophe. Schon jetzt sind die internationalen Börsen von New York bis Tokio im Sinkflug. Es kann immer noch tiefer gehen.

Kamala Harris will in den kommenden Stunden bekannt geben, mit welchem Vizepräsidentschaftskandidaten sie gegen Donald Trump in die Wahlschlacht zieht. In Philadelphia ist schon für heute ein gemeinsamer Wahlkampfauftritt des US-demokratischen Duos geplant. Am Sonntag traf Harris in Washington drei Top-Bewerber für den Job an ihrer Seite: Gouverneur Josh Shapiro aus Pennsylvania, Senator Mark Kelly aus Arizona und Gouverneur Tim Walz aus Minnesota.  Die Nummer Zwei soll der Präsidentschaftskandidatin helfen, in den wahlentscheidenden Bundesstaaten unentschlossene weiße Wähler im mittleren Spektrum auf ihre Seite zu ziehen. Es ist erstaunlich, dass bisher nicht durchsickerte, wer der Vizekandidat von Harris werden soll. Vielleicht wusste es aber auch sie selbst es bis zuletzt nicht.

Die Welt befindet sich in einem unheimlichen Beschleunigungsmodus, in einem Stakkato schockierender Meldungen und unerwarteter Wendungen – der Anschlag auf Trump, der Rückzug Bidens, das Attentat auf Hanijeh, der drohende Flächenbrand in Nahost, der russische Vormarsch in der Ostukraine, der Wahlbetrug in Venezuela. Fast unter ging dabei der Umsturz in Bangladesch, das mit seinen rund 170 Millionen Einwohnern das achtbevölkerungsreichste Land der Welt ist. Angesichts wütender Studentenproteste trat Bangladeschs Ministerpräsidentin Sheikh Hasina am Montag nach 15 immer autoritärer werdenden Jahren an der Macht zurück und setzte sich nach Indien ab. Der Blutzoll war zu hoch geworden. Zuletzt hatte die Langzeitregierungschefin in die Menge schießen lassen; 300 Menschen starben allein in der Nacht auf Montag. Die Demonstranten blieben von der Gewalt uneingeschüchtert und stürmten den Sitz der Regierungschefin. Die Armee griff ein, übernahm das Kommando und drängt Hasina offenbar ins Abseits.

Am heutigen Dienstag wollte der Militärchef Studentenführer treffen. Die Protestbewegung machte bereits klar, dass sie kein Regime der Generäle dulden wolle. Der Mann des Vertrauens für die Studenten ist Mohammed Yunus, der 2006 den Friedensnobelpreis für sein Konzept der Mikrokredite erhielt. Sie wollen den 84jährigen Ökonomen als Chefberater einer Übergangsregierung sehen. Das klingt vielversprechend. Doch das politische Vakuum wollen außer der Studentenbewegung und der Armee auch andere füllen: Islamisten.

Haben Sie eine friedliche Woche

Ihr Christian Ultsch

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