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12.03.2024

Guten Morgen!

Auch ich bin mit Herbert Kickl zur Schule gegangen. Also nicht mit Herbert Kickl an sich. Sondern mit dem Typus Herbert Kickl. Wer in den 1980er-Jahren in Kärnten zur Schule gegangen ist, hatte es mit dieser Sorte Mensch zu tun: Gescheit, mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, misstrauisch, mit der Außenseiter-Rolle kokettierend, nicht mit dem Strom schwimmen wollend, weil man sich für klüger hielt, vom Verhalten her angepasst, aber doch Autoritäten in Frage stellend. Die Lehrer im Kärnten der 1980er-Jahre waren allesamt Sozialisten – der Landeshauptmann seit Jahrzehnten von der SPÖ, mehr muss man dazu nicht wissen –, mitunter war vielleicht auch ein grün-angehauchter 68er dabei. Das Idol der Herbert Kickls war somit naheliegend: Jörg Haider.

Bei all seinen Auftritten, seinen Interviews, seinen Reden schwingt dieses Mindset bei Herbert Kickl nach wie vor mit: Das Misstrauen gegenüber dem Mainstream, die Ablehnung der Regierenden, das Gefühl, von den Eliten indoktriniert zu werden, die Selbstvergewisserung, die einzig Normalen zu sein. Ein Widerstandsgeist, wie man ihn früher eher von links kannte. Beim FPÖ-Neujahrstreffen zitierte Kickl aus einem Lied von Konstantin Wecker: „Wenn alle mittun, steht allein. Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht . . .“

Bei Bedarf zitiert er auch Jean-Jacques Rousseau. Sonst hält Kickl „linksintellektuell“ aber für einen Widerspruch in sich, wie er gern zum Besten gibt. Bei aller Brachialrhetorik nimmt er für sich selbst in Anspruch, ein Denker zu sein. Zumindest einer, der ausspricht, was andere auch denken, obwohl sie es nicht mehr denken dürften, aber nicht so pointiert artikulieren können. Im Grunde lautet sein Credo: Ihr dürft so bleiben, wie ihr seid. Und ich bin euer Prophet.

Den echten Herbert Kickl kenne ich jetzt auch schon über zwei Jahrzehnte. Nicht gut, aber gut genug, um ein paar Zeitungsseiten zu füllen. Ich habe mit ihm nie schlechte Erfahrungen gemacht – außer dass er keine Interviews mehr gibt, seit er Parteichef ist. Sonst war er immer diskussionsfreudig, auch einem Schlagabtausch mit ironischer Note nicht abgeneigt. Aber ich kenne etliche Menschen – auch in der FPÖ –, die mit ihm schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Muss man sich also fürchten vor Herbert Kickl? Ich persönlich glaube nicht. Aber mein karges Vermögen darauf verwetten würde ich auch wieder nicht. Zumal nationale Rechte, wenn sie an der Macht sind, dann oft seltsame Sachen machen. In Italien etwa versucht die Regierung Meloni durchzusetzen, dass die bedeutendsten Kulturinstitutionen des Landes nur noch von Italienern geleitet werden, als Hebel dient eine Altersbegrenzung. So soll nun, wie gestern bekannt wurde, an der Mailänder Scala der 68-jährige Franzose Dominique Meyer – hierzulande auch kein Unbekannter – von einem 63-jährigen Italiener ersetzt werden. Obwohl dieser das gar nicht will.

Heute startet der nächste U-Ausschuss. Erfunden wurde er von der ÖVP. Im Fokus soll in erster Linie Herbert Kickl und dessen Vergangenheit stehen. Wenn ich meine Sicht auf Herbert Kickl mit einem Wort beschreiben müsste? Es wäre: ambivalent. 

Slawa Ukrajini!

Oliver Pink

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